Montag, 4. Mai 2009

Petition gegen Internetzensur

Kurzform:

Eine sehr wichtige Petition gegen Zensur im Internet läuft gerade auf bundestag.de, und kann dort noch bis 16.06. von jedem demokratiebewussten Bürger der BRD mitgezeichnet werden.
Wem etwas an seinen Grundrechten liegt (zum Beispiel an dem Recht, nicht wegen dem Bockmist Dritter eingebuchtet werden zu dürfen), möge bitte unbedingt mitzeichnen! (Nicht von der Registrierung abschrecken lassen!) Wenn daran kein Interesse besteht, sollte vielleicht doch die Langform unten gelesen werden..



Langform:

Der derzeit in der Entstehung befindliche Neuentwurf des Telemediengesetzes sieht die Sperrung von Internetseiten vor, die vom BKA in einem nicht definierten Verfahren nach nicht definierten Regeln auf eine Sperrliste gewählt werden, die tagesaktuell von den Providern implementiert wird.

Die von der Bundesregierung für diese Methodik vorgelegten Argumente strotzen - leider, leider - vor Populismus und falschen Statistiken, sind teilweise faktisch falsch. Kein Wunder im Super-Wahljahr 2009. Vorgeschoben wird der Kampf gegen Kinderpornographie - ein gutes, unterstützenswertes Ziel, doch die gewählten Mittel sind aus fachlicher und verfassungsrechtlicher Sicht sowohl ungeeignet, als auch hochgefährlich.

Statt gegen entsprechende Angebote direkt vorzugehen und die Hintermänner zu verfolgen, wie es bereits mit dem bestehenden Strafrecht möglich ist, sollen die entsprechenden Seiten nach den Wünschen der Bundesregierung zukünftig auf einer Liste gesammelt (aber sonst unbeeinträchtigt im Netz gelassen!) werden. Diese Liste wird an die Internetzugangs-Provider übermittelt, die die Adressen der gesperrten Seiten via DNS auf sogenannte "Stoppschild-Seiten" umleiten, die sogenannte "Gelegenheitskonsumenten" über ihren Fehltritt 'informieren' sollen. Diese Maßnahme ist für die wahren Verbrecher nicht nur mit Leichtigkeit umgehbar (Verwendung von IPs oder alternativen/ausländischen DNS-Diensten), sondern auch unvereinbar mit einer demokratischen Kontrolle. Die Liste selbst ist nämlich geheim und soll lediglich vom BKA verwaltet werden - so kann nicht kontrolliert werden, ob tatsächlich nur strafrechtlich relevante Seiten gelistet werden. Auch ist unklar, wie fälschlicherweise gelistete Seiten wieder von der Schwarzen Liste runterkommen könnten.

Es ist offensichtlich, dass auf einem solchen Weg über kurz oder lang die Zweckbindung der Sperren aufgeweicht wird und schließlich wegfällt (oder aber einfach von Anfang an ignoriert wird), und dann nicht nur strafrechtlich relevante Seiten auf der Liste landen, sondern nach und nach auch unbequeme Meinungen, wie etwa die Homepages von Oppositionsparteien oder neutralen/kritischen journalistischen Angeboten. Dies ist das Ende der vierten Kraft im Staat - der Presse. Abgesehen davon ist es natürlich auch das Ende der Meinungsfreiheit und des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung, aber was zählt heutzutage schon noch das Grundgesetz... soviel zu den gröbsten verfassungsrechtlichen Bedenken.

In der neuesten Revision des Gesetzentwurfes wird die Idee der "Stoppschild-Seiten" weitergetrieben. Diese Sackgassen-Seiten, die statt der vom BKA gelisteten Website angezeigt werden, sollen so aufgewertet werden, dass Aufrufe dieser Seiten geloggt werden können. Der Aufruf soll dann einen Anfangsverdacht begründen, mit dem die Polizei gegen den Bürger, dessen Browser auf der "Stoppschild-Seite" gelandet ist, ermitteln kann. Zum Beispiel wegen Kinderpornographie. Oder weil der Nutzer sich angeblich für links-/rechts-/grün-/mitte-/lila-populistische Propaganda interessierte. Selbstverständlich zählt in so einem Fall die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von allerlei Technik zum ersten Repertoire der Ermittlungsbehörden, um den sogenannten Anfangsverdacht auch ja erhärten zu können.

Schick.

Problem: ich kann mir aus dem Stand ein halbes Dutzend technische Szenarien vorstellen, bei denen der Browser auf einer solchen "Stoppschild-Seite" landet, ohne dass der Nutzer a) davon weiss, b) davon wissen will, oder willentlich nach potentiell einschlägigen Angeboten gesucht hätte. Anders gesagt: es gibt etliche Möglichkeiten, in einem solchen "potentieller Kinderficker"-Log aufzutauchen, ohne auch nur im Entferntesten willentlich und bewusst den Versuch unternommen zu haben, im Netz nach strafrechtlich relevanten Angeboten Ausschau halten zu wollen.

Zum Beispiel:
1) Klingelrutscher mit Knast-Folge: X mag Y nicht und will ihm/ihr einen auswischen. X geht zu einem der unzähligen Redirektoren-Dienste (z.B. http://tinyurl.com ) und legt einen Redirektor zu einem gelisteten Angebot an. Er schickt den Link an Y, mit einem hinreichend verlockenden Text ("Moni nackt am Strand..", "Günstige Technik über mein Rabattsystem!"). Y sieht den Link, hat in dem Moment *keinen* Schimmer, wo er rauskommt, wenn er da drauf klickt. (Oder hätten Sie gewusst, dass Sie http://tinyurl.com/cylzde wieder hier auf diese Seite führt? Ich nicht.) Er/Sie klickt. Landet auf einer Stoppschild-Seite und wundert sich, was er/sie falsch gemacht hat. Zwei Monate später darf er/sie das dem Haftrichter erklären. Job und Familie sind weg, weil er/sie wegen Verdachts auf Besitz von Kinderpornographie/Propaganda/Unabhängigen journalistischen Berichten hops genommen und die Wohnung ausgeräumt wurde.

2) Die Tücken der Technik.
2.1) Trojaner: Computerviren gibt es milliardenfach, in billionenfacher Variation in Millionen Rechnern auf der Welt. Es ist trivial, auf einer funktionierenden Virenplattform Funktionalität unterzubringen, die den infizierten Rechner eine Stoppschild-Seite anwählen lässt. Auch hier hat der Besitzer des Rechners weder Intention noch Schimmer, auf dem gelisteten Angebot dahinter landen zu wollen.
2.2) "Einen Moment, sie werden weitergeleitet..." - der Spruch ist geläufig, ja? Es gibt unzählige Möglichkeiten, mit einfachsten Konstrukten den Nutzer automatisch von einer Seite auf die nächste zu leiten. Das Ziel kann der Programmierer der Seite, oder der Kriminelle, der in die Seite einbricht und sie .. "umgestaltet", frei wählen. Es ist denkbar, dass etwa ein großes, beliebtes Nachrichtenportal oder ein Webmailer gehackt werden und beim Aufruf des regulären Angebotes auf eine Stoppschild-Seite weitergeleitet wird. Das kann jeden treffen. Überall (im Internet).

Es ist unwahrscheinlich, dass die Ermittlungsbehörden einer dieser Möglichkeiten ungesehen Glauben schenken würden, dabei ist keine davon abwegig oder besonders schwer umzusetzen.

Aus technischer Sicht ist die Missbrauchsgefahr gegenüber unbescholtenen Bürgern unverhältnismäßig groß, während die unmittelbare Maßnahme nicht für den Kampf gegen Kinderpornographie geeignet ist, da das Angebot an sich nur versteckt, und der Ersteller nicht verfolgt wird.

Deshalb: diese Petition auf bundestag.de zeichnen und dann weitersagen! Jeder Bürger darf mitzeichnen! Jeder selbstverantwortliche Bürger sollte mitzeichnen. Ernsthaft.
(Nicht von der Registrierung abschrecken lassen!)

Weiterführende Informationen:

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Super Artikel!

Noch eine Ergänzung für die Fraktion, die meint so ein Anfangsverdacht sei nicht weiter schlimm, weil er sich ja aufklären wird:

1) So eine Wohnungs-/Hausdurchsuchung bleibt nicht unbemerkt. Und einen Ruf als "pöser Kinderficker" wird man vermutlich nie wieder los. Auch nicht, wenn das Verfahren eingestellt wird.2) Wer auf seinen Rechner angewiesen ist, kann es schlecht verschmerzen, wenn der erstmal monatelang eingelagert und untersucht wird.

3) So eine Durchsuchung kann ernste psychische Schäden hinterlassen.


Also Petition unterschreiben und hartnäckig bleiben. Das System ist berüchtigt dafür gerne in die Knie zu gehen. An der Erfassung des Bürgerwillens spart man offenbar lieber als an der Erfassung des Bürgers :-(