Freitag, 13. März 2009

Es ist wiedermal Amoklauf-Zeit

Es war nur eine Frage der Zeit, bis nach dem Amoklauf am Mittwochmorgen in Winnenden bei Stuttgart (nicht zu verwechseln mit Geneva, Alabama in den USA!) wieder die einschlägigen Überschriften durch die Medien flatterten.

Erst war der Psychopat anscheinend total profillos, danach hatte er plötzlich polemisch zwei Gesichter. Am Donnerstag morgen freute sich die Presse mit fetten Schlagzeilen darüber, dass der Junge "Killerspiele" auf seinem Rechner hatte und gern Horrorfilme schaute und erhob diese sogleich zu Motiv und Ursache. Und Donnerstag Abend ging wohl die Meldung, dass er seine Tat in einem "Internet-Chat" angekündigt hatte. Blöd natürlich, wenn sich hinterher rausstellt, dass dem garnicht so war. Jetzt sollen die entsprechenden Quellen überprüft werden. Natürlich mit Beschlagnahme von beliebiger potentiell missbrauchter Rechentechnik. :P

Man muss lange suchen, bis man jemanden findet, der wenigstens einsilbig (vorletzter Absatz, der eine Satz oberhalb von"Killerspiele/Horrorfilme" und unter "Motiv im Dunkeln") über die psychische Störung des Attentäters spricht - kranke Welt, wenn jeder die Erklärung für die Ursache dieser Tat in Computerspielen und den pitterpösen Sportschützen sucht, statt mal den kurzen Weg zu gehen und die Verbindung zu der "psychatrischen Behandlung" der "depressiven Störung" des 17-jährigen Mordstypen herzustellen. Wär ja auch zu einfach, wenn der Täter einfach nur verrückt gewesen wäre. Nein, er hat selbstverständlich seine Schule am Computer nachgebaut und sich bei seinem Waffenfreak-Vater langfristig ein Gespür fürs Erlegen von kleinen Kindern antrainiert. /ironie-off

Tut mir leid, aber für mich hörten sich die Meldungen an wie seit Monaten vorbereitet.. gibt es in sensationsgeilen Redaktionen von Bild und co heutzutage Schubladen, wo Blanko-Nachrichten für Amokläufe und Hochzeiten von Boris Becker rausgezogen werden können, und einfach nur Ort, Name und Opferzahl nachzutragen sind? Verdammt, Jim, er ist tot.

Toll auch, dass die Politik schnell die Schuldigen bei der Hand hat: die Sportvereine. So rief Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Schützenvereine dazu auf, ihre Mitglieder genauer zu kontrollieren (!!). (Hier im letzten Absatz)

-

Moment, moment, moment. Nur damit ich das richtig verstehe.

Die Sportvereine, ganz normale private Vereine, wie sie jedes Dorf für Fußball und Skat hat, sollen was genau tun? Die Mitglieder genauer kontrollieren? Wie denn? Private Hausdurchsuchung? Private psychologisches Gutachten? Tagebücher vorlegen lassen und privat analysieren? Und dann? Wenn sie meinen, was gefunden zu haben? Selbst verhaften und in Ketten legen? An den Pranger?

Als ich das letzte Mal nachgeschaut hatte, gab es für sowas noch einen staatlichen bzw. richterlichen Vorbehalt.. ach und tatsächlich... der *Staat* dürfte die Waffenbrüder sogar kontrollieren. So genau wie er möchte! Das WaffG erlaubt nämlich die beliebige und regelmäßige Kontrolle der Aufbewahrungsvorschriften für Sportschützen und Jäger durch die zuständige Behörde! (§36 Abs 3 WaffG und §39 Abs 1 WaffG) Wird offenbar nicht häufig gemacht. Puh, fat chance. Die die es dürfen, machen es nicht (und würden wegen dem üblichen Stichproben-Prinzip vermutlich sowieso keinen Amoklauf mit Schusswaffen verhindern können), und die, die es nicht dürfen, sollen?

Das gilt sogar für die psychologischen Gutachten. Junge Sportschützen müssen nämlich eine Art MPU machen (§6 Abs 3 WaffG). Genau, den Idiotentest für Totschläger-im-Straßenverkehr für um die 200 Euro das Stück. Damit stehen junge Sportschützen im Waffengesetz mit Alkoholkranken und verurteilten Verbrechern auf einer Zuverlässigkeitsstufe. Diese Pflicht entfällt erst bei der soziologisch gesicherten und rational nachvollziehbaren, deshalb absolut nicht als beliebig anzusehenden Altersreifegrenze von 25.

Selten so gelacht.

Ich prophezeie, dass in Kürze eine Novelle des Waffengesetzes ins Haus steht. Die liegt nämlich bestimmt auch schon in der Schublade, nummeriert nach Amok-Läufen...

Kinners, so lange ihr die Verantwortung von einem zum nächsten schiebt, wird sich nix ändern. Die Politik ist gefragt, Möglichkeiten zu schaffen, soziale und psychologische Grenzfälle mit "Potential" finden und auffangen zu können, wenn es die Familien und das sonstige soziale Umfeld schon nicht gebacken kriegen. Denn wenn die Ursachen für diese Amokläufe nicht unter Kontrolle gebracht werden, wird es auch immer einen Weg geben, dass der Täter an mehr oder minder gefährliche Waffen kommt. Beim nächsten Mal ist es die Pistole eines Polizisten. Danach ein Küchenmesser, die es legal in Größen und Schärfen zu kaufen gibt, dass einem vor Angst die Haare ausfallen. Das nächste Mal ist es ein Auto in der Fußgängerzone.

Was ist eure Lösung, liebe Politiker? Küchenmesser mit ins WaffG aufnehmen? MPUs für Köche? Aufbewahrungsvorschriften für Autoschlüssel? Polizei entwaffnen? Zwangseinweisung für Computerspieler? Beugehaft für den Vorstand von Sportvereinen? Das Internet abschalten? Die Menschen reprogrammieren?

Ich bin gespannt.



Nachtrag: Ich bin leicht verwirrt, BMI Schäuble spricht sich gegen eine Verschärfung des Waffenrechts, dafür aber gegen "Killerspiele" und Gewalt in "den Medien" aus.

Keine Kommentare: