In dem im Volksmund "Green Card Lotterie" genannten Vergabeverfahren darf jeder teilnehmen, der mindestens zwölf Jahre Schuldbildung oder ein paar Jahre Berufserfahrung in einem Beruf vorzuweisen hat, der mindestens eine dreijährige Ausbildung erfordert. Wer gezogen wird und den mehrstufigen Prozess erfolgreich durchläuft, bekommt am Ende einen Termin beim zuständigen Konsulat. In Deutschland ist das das U.S.-Generalkonsulat in Frankfurt am Main.
Da es kaum Erste-Hand-Berichte von dieser letzten Stufe im Bewerbungsverfahren gibt, möchte ich hier meine Erlebnisse aus dem Januar 2010 wiedergeben. (Stufe Eins: Registrierung für die Lotterie; Stufe Zwei: "Selectee" - gezogen worden & Formulare ausfüllen -- sukzessive Terminvergabe an 100.000 Selectees für 55.000 Visas; Stufe Drei: Interview im Konsulat)
Der Tag beginnt früh -- Termine für das Visa-Interview werden werktags ab 07:30 vergeben. Es lohnt sich, ein Hotel in der Nähe zu suchen und einen Tag eher anzureisen. Aber Vorsicht bei der vorbereitenden Suche nach dem richtigen Eingang am Anreisetag. Das bloße Lesen der Hinweisschilder und anschließende Fortgehen verführt die am Haupttor stationierten, deutschen Polizisten zu spontanen Ausweiskontrollen wegen "verdächtigem Verhaltens" . . . Der Haupteingang befindet sich jedenfalls direkt auf der Gießener Straße, also an der Westseite des Konsulats.
Eine Viertelstunde vorm Termin erreiche ich den Haupteingang - mehrere Warteschlangen reichen bis auf die Straße - das Thermometer zeigt -9°C. Eine Schlange, die deutlich längere, steht für "non-immigrant visa" an, die andere für alle anderen Angelegenheiten, so auch für die Green-Card-Aspiranten. Am Außenschalter erhält man nach Vorlage des Reisepasses und Nennung des Zwecks des Besuches ein Ticket mit Nummer wie von diversen Behörden bekannt.
Mit diesem Ticket kann man sich dann an der eigentlichen Warteschlange anstellen - nämlich der vor der Sicherheitsschleuse. Ein sehr gut aufgelegter Sicherheitsbeamter ordnet die Schlange und stellt sicher, dass Neuankömmlinge sich zuerst ein Ticket besorgen und die Sicherheitshinweise beachten. Ohne die gute Laune wären bestimmt einige der 40-50 Wartenden erfroren. Geheimtipp: Wer ein sehr kleines Kind hat, sollte das eventuell mitnehmen, denn das ist die einzige Ausnahme, die der Ordner macht: Wartende mit Baby werden ganz nach vorn sortiert.
Übrigens sind im Konsulat (neben Waffen etc.) _sämtliche_ elektronische Geräte verboten. Handy, MP3-Player, Digicam und co. sollte deshalb von Anfang an im Auto oder im Hotel bleiben. Die nächste sonstige Aufbewahrungsstelle ist übrigens ein Kiosk an der U-Bahn-Haltestelle Gießener Straße, in dem man Schließfächer mieten kann.
Wer das vergisst, wird wieder vor die Tür geschickt und muss von vorn anfangen, denn aufbewahrt wird Elektronik im Schleusenhaus nicht.
Das Schleusenhaus selbst ist gut mit schwerbewaffneten Sicherheitsleuten vom "Diplomatic Security Service" bestückt. Dort werden Jacken und mitgebrachtes Gepäck durchleuchtet und durchsucht. Nichtelektronische Inventarstücke, die den gewissenhaften Objektschützern nicht passen (zum Beispiel meine etwas überfüllte und deshalb schwer zu durchschauende Stiftmappe, oder das (passive) Headset meines Handies) werden aussortiert und kostenlos verwahrt - dafür bekommt man eine kleine eingeschweißte Karte, mit der man die Gegenstände später wieder auslösen kann.
Nach bestandener Sicherheitsprüfung geht es über den Hof zur Hauptempfangshalle, vorbei an mehreren Sicherheitsposten, einer vom Wachschutz fernbedienten Tür und einer mit noch mehr Sicherheitspersonal besetzten Rezeption. Die wertet auch gleich die mit Buchstabe beprefixte ID des Servicetickets vom Eingang aus und weist einen lose definierten Wartebereich zu. Die Empfangshalle selbst fasst mehr als 200 Warteplätze und 23 Schalter.
Nach etwa fünfzehn Minuten Warten wurde ich zum letzten Schalter gerufen. Die Dame nahm mir den Reisepass ab und gab mir ein Formular, auf dem ich die Richtigkeit der gemachten Angaben unterzeichnen musste. Sie prüfte zudem das mitgebrachte Passbild auf Konformität mit den gestrengen Regeln der biometrischen Kontrolle. Das hatte ich daheim extra von einem richtigen Fotografen machen lassen, der sich damit auskennen müsste - großspurig versprach er mir die Rückerstattung, wenn ich damit Probleme beim Visumsantrag haben würde - da bin ich mal gespannt, denn natürlich stimmte etwas nicht: Der obere Bogen des linken Ohrs war von Haaren verdeckt. Die Dame lehnte das Bild ab und schickte mich zu einem der beiden Passbildautomaten -- ich solle mir die Haaren von den Ohren wegstreichen - notfalls mit Wasser - und danach einfach wieder zum Schalter kommen, Sie würde mich nicht nochmal aufrufen.
In der Empfangshalle gibt es eine Art Klo-Häuschen, einen Imbiss, einen Briefmarkenautomaten der Deutschen Post (4,25 EUR als Briefmarke mitnehmen oder eben dort kaufen!) und zwei Passbildautomaten. Diese Automaten erklären auf Deutsch oder Englisch sehr genau, worauf man achten muss und spucken für sechs Euros (Automat wechselt nicht!) vier Passbilder aus - das geschossene Bild darf man vor dem Druck nochmal kontrollieren und ggf. wiederholt schießen lassen. Ich hab etwa fünf Versuche gebraucht bis diese scheiß Strähne nicht mehr vor dem Ohr war. Und dieses ewie Hockerruntergedrehe -.-
Nunja - mit den neuen Fotos zurück zum Schalter. Die Dame schneidet sich eins davon aus und verweist einen zum Schalter daneben, dem Kassierer. Dort kurz angestellt und mit Kreditkarte die nicht unbeträchtliche Gebühr cash oder mit Kreditkarte bezahlt. An dieser Stelle bitte eine kurze Dankesrede ob des starken Euro-zu-Dollar-Kurses hindenken. Die Gebühr wird übrigens in keinem Fall zurückerstattet. Verständlich, denn wer abgelehnt wird, hat vermutlich ein persönliches Problem damit, die Auslagen zu bezahlen :P
Danach muss man wieder warten bis man aufgerufen wird. Die Zeit kann man damit verbringen, die mitgebrachten Dokumente in die an der nächsten Station erwartete Reihenfolge zu bringen. Eine entsprechende Liste erhält man am zuerst besuchten Schalter.
Zehn Minuten später wurde meine Nummer für einen weiteren Schalter aufgerufen. Mich erwartete hinter der Glasscheibe ein freundlicher, aber durchaus down-to-business-orienterter Deutscher. Mein Reisepass und die Akte bewegte sich übrigens auf der von mir aus gesehenen anderen Seite der Schalterreihe mit mir von Station zu Station. Der Herr reichte mir einen großen Umschlag, den ich mit dem mitgebrachten Porto und meiner deutschen Adresse beschriften sollte (dazu später mehr) und ging dann mit mir meinen Originalantrag durch, den ich in Runde Zwei als "Selectee" nach Kentucky geschickt hatte. "Haben Sie den Antrag selbst ausgefüllt?" Diese Angabe stimmt..? Jene Angabe stimmt..? Und so weiter.
Dann kamen die geforderten Dokumente dran. Die entsprechende Liste erhält man ebenfalls in Runde Zwei und man sollte frühzeitig beginnen, alle geforderten Informationen und Bescheide zusammenzutragen. Darunter auch der Nachweis, dass man in den USA sechs Monate überleben kann bis man einen Job findet, ohne auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein. Eine Bekannte, die die ganze Prozedur schon eher durchgemacht hatte, sprach davon, dass man Liquidität oder verfügbare Wertgegenstände im Wert von mindestens 5000 EUR vorweisen muss - diese Zahl wird aber von offizieller Seite nie genannt. Wie der Nachweis genau geführt werden muss, ist demnach vom Antragsteller abhängig. Ich hatte zum Beispiel eine Schwacke-Bewertung meines Autos dabei, womit die geforderte Summe im Grunde bereits erledigt war. Natürlich kann man auch Kontoauszüge, die Expertenschätzung der eigenen Briefmarkensammlung oder eine Bürgschaft verwenden. Die Beurteilung, ob das ausreicht, erfolgt im letzten Schritt des Interviews durch den Consular Officer persönlich.
Der nette Herr am Document Check fragte dann noch wie schnell das Einreisevisum im Fall der Fälle ausgestellt werden soll und erklärte im Anschluss daran das weitere Vorgehen.
Als erstes wieder Warten - auf den Consular Officer, mit dem das eigentliche Interview durchgeführt werden würde. Wären der zufrieden und die Ergebnisse der Medical Examination OK, dann würde in den Reisepass das Einreisevisum gedruckt werden, das dann sechs Monate Gültigkeit hätte. Den Pass erhält man so oder so mit dem selbstfrankierten und -adressierten Umschlag als Einschreiben an die eigene, deutsche Anschrift zurück. Neben dem Pass befindet sich darin im Erfolgsfall auch ein versiegelter Umschlag, der unter keinen Umständen geöffnet werden darf. Mit Pass, versiegeltem Umschlag und einem Röntgenbild, das man nach der Medical Examination vom Doc erhält, geht man dann bei der ersten Einreise an der Grenze zum Consular Office und beendet das Green-Card-Prozedere. Der Officer an der Grenze öffnet dann gemeinsam mit dem Aspiranten den Umschlag und beendet das Verfahren mit einem neuen Eintrag im Pass, mit dem dann der "Permanent Resident"-Status aktiviert wird, auch wenn die Green Card erst gedruckt wird und erst bis zu zehn Monate später an der angegebenen US-Adresse eintrifft. Die Karte wird nicht ausserhalb der USA verschickt. Wer also keinen guten Freund oder Verwandten mit US-Adresse hat, muss eine Agentur beauftragen.
Bis zum Eintreffen der Karte ist der neue Stempel im Reisepass der "Permanent Resident Card", wie die Green Card offiziell heißt, gleichwertig, und wird erst durch den Empfang der Green Card ungültig.
Für die tatsächliche Übersiedlung kann man sich als Lotteriegewinner übrigens relativ viel Zeit nehmen, weil klar ist, dass bei diesen Aspiranten die Green Card in der Regel sehr überraschend kommt. Bei mir zum Beispiel: Ich war von etwa fünf bis sechs Runden (also Jahren) ausgegangen und bin stattdessen beim ersten Versuch durchgekommen. Nach Aktivierung des Green Card-Status darf man sich jedoch maximal 364 Tage am Stück außerhalb der USA aufhalten - bleibt man unangemeldet länger fern, wird der Status wieder eingezogen und, so offiziell und wörtlich, "wer einmal die Green Card verloren hat, für den ist es fast unmöglich, sie nocheinmal zu erhalten". Bis zur eigentlichen Entscheidung "umsiedeln oder nicht" muss man also einmal im Jahr einreisen, sonst wird einem die Entscheidung vorfristig abgenommen.
Auch eine SSN, die Social Security Number, ohne die nichts geht in den USA, wird direkt vom Konsulat für den "Permanent Resident" beantragt und kommt wohl schon sehr viel schneller an als die Green Card.
Nachdem das soweit geklärt war bekam ich noch ein kleines Büchlein mit Informationen für den Einwanderer und setzte mich wieder in den Wartebereich. Nach etwa zwanzig Minuten wurde ich nun an einen vierten Schalter gerufen, an dem mich der weibliche Consular Officer schließlich dem Interview unterzog. Sie ging nochmals alle Daten mit mir durch und untersuchte genau sowohl den Laufzettel für die Dokumente als auch mein Abiturzeugnis. Dann stellte Sie die drei eigentlichen Interviewfragen - fast schon beiläufig:
- Was wollen Sie in den USA machen/arbeiten?
- Wohin wollen Sie ziehen?
- Wann wollen Sie dahin ziehen?
Damit war meine Odysee im Konsulat beendet. Ich verließ die Empfangshalle, holte mir im Schleusenhaus mein einbehaltenes Eigentum wieder und genoss danach noch ein bisschen mein schönes Hotelzimmer.
Insgesamt war ich knapp zweieinhalb Stunden in und um das Konsulat unterwegs. Davon war ich mindestens anderthalb mit Warten (und Passbild ersetzen -.-) beschäftigt. Alle Angestellten waren sehr höflich und sprachen sowohl Englisch als auch Deutsch - die einen mehr oder weniger gut, die anderen mehr oder weniger gern.
Ich hoffe ich konnte dem neugierigen Selectee ein paar Sorgen nehmen. Bei Fragen steht der Kommentarbereich zur Verfügung.
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